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Gut für Geldbeutel und Umwelt – Recycling im großen Stil

Gut für Geldbeutel und Umwelt – Recycling im großen Stil

Von Stefanie Otto

Fotoquelle: Stefanie Otto

Rund 17.000 Geräte – unter anderem defekte Waschmaschinen und Elektroherde – werden allein bei Envie in Straßburg jedes Jahr vor der Verschrottung „gerettet“. (Stefanie Otto)

600.000 Tonnen Altgeräte werden pro Jahr in Frankreich eingesammelt. Etwa ein Drittel davon recycelt die Straßburger Firma Envie – mithilfe von Menschen, die sonst schwer einen Job finden. Die reparierten Geräte helfen Geringverdienern und der Umwelt.

Mit geübten Handgriffen hievt Arsen Mkatschian eine Waschmaschine von einer Sackkarre herunter und vor eine halbhohe Betonwand, aus der mehrere Anschlüsse ragen. Routiniert schließt der Mittvierziger mit Halbglatze Strom und Wasser an, stellt ein Waschprogramm ein und beobachtet die Vorgänge in der Maschine, die jetzt beginnt Wasser ins Innere zu pumpen.

„Ich suche den Fehler und behebe ihn“

In seinem Blaumann sieht er aus wie ein normaler Handwerker. Darüber trägt er eine leuchtend gelbe Weste mit der Aufschrift „Envie“ – was im Französischen so viel bedeutet wie „am Leben“ oder „Lust“.

„Ich repariere Waschmaschinen, und zwar diese hier, die Toploader. Ich hole sie aus dem Depot, suche den Fehler und behebe ihn. Oft ist das Lager kaputt. Das hab ich hier gewechselt. Manchmal ist es aber auch die Elektronik. Dann tauschen wir die komplett aus. Und wenn die Maschine wieder läuft, mache ich noch eine Grundreinigung.“

Auch Elektronik wie Computer, Fernseher und Handys werden bei Envie repariert oder recycelt. In den Bauteilen stecken wertvolle Rohstoffe wie Edelmetalle und Seltene Erden. (Stefanie Otto)

Wir – das sind er und seine sechs Kollegen, die bei Envie für die Reparatur von defekten Waschmaschinen und Geschirrspülern zuständig sind. In den Räumen nebenan vollzieht sich das Gleiche mit Kühlschränken, Elektroherden, Mikrowellen und kleineren Haushaltsgeräten. Auch Fernseher, Computer und Mobiltelefone werden hier wieder zum Laufen gebracht.

Die Chance auf einen persönlichen Neuanfang

Während bei Arsen die Waschmaschine vor sich hin rumpelt, reinigt er bereits eine andere. Dazu hantiert er abwechselnd mit Druckluft, Chemikalien und Putzlappen. Insgesamt vier Maschinen behandelt er gerade. Dabei unterhält er sich mit seinem Kollegen nebenan, der sich um die „Patienten“ mit Bullauge kümmert.

Etwa zwei Drittel der Envie-Belegschaft absolviert ein Wiedereingliederungsprogramm für Langzeitarbeitslose. (Stefanie Otto)

Arsen Mkatschian ist von Haus aus Geschichtslehrer. Zumindest war er das, bis er aus seinem Heimatland Armenien nach Frankreich kam. In der Werkstatt von Envie hat er nach langer Zeit wieder eine reguläre Arbeit gefunden, zumindest für zwei Jahre. Für ihn und viele andere hier ist die Arbeit mit den Altgeräten die Chance für einen persönlichen Neuanfang.

„Alles begann in den achtziger Jahren. Nach der Ölkrise waren viele Franzosen arbeitslos. Damals fingen die Menschen an, das französische sowie das europäische Wirtschaftssystem infrage zu stellen und nach einem sozialeren Weg der Beschäftigung zu suchen.“

Amaury Grenot ist Geschäftsführer bei „Envie Strasbourg“. Sein Büro liegt im ersten Stock der Werkshalle. Es ist schlicht eingerichtet: zwischen den Schreibtisch und einige Regale voller Aktenordner passt gerade noch ein Tisch für Besprechungen. Während alle paar Minuten eines seiner drei Telefone klingelt, erzählt der 39-Jährige von den Anfängen des Unternehmens.

Die Filiale im Stadtteil Koenigshoffen: das Recycling-Netzwerk begann einmal mit einer kleinen Werkstatt in Straßburg, heute betreibt Envie über 50 Filialen in ganz Frankreich. (Stefanie Otto)

Die Idee zu Envie entstand innerhalb der Emmausbewegung. Diese französische Initiative zur Armutsbekämpfung ist besonders durch ihre Sozialkaufhäuser bekannt geworden. Das Besondere daran: Arbeits- und Obdachlose sammeln und reparieren Sachspenden, die ihnen selbst zu Gute kommen. Durch die Einbeziehung erhalten sie eine sinnvolle Beschäftigung und so eine Möglichkeit zur Wiedereingliederung.

„Ganz konkret hat damals eine Gruppe von Straßburgern erkannt, dass es einen großen Bedarf an erschwinglichen Haushaltsgeräten gibt. Und so fingen sie an, Jobs für Arbeitslose zu schaffen, indem sie defekte Elektrogeräte reparierten. Es war also im Grunde eine soziale Aktion der Nächstenliebe. Doch das, was sie erschufen, war ihrer Zeit voraus. Denn es waren die Anfänge von Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz.“

Unterstützung durch die Europäische Union

Mit einer kleinen Werkstatt und zehn Mitarbeitern fingen sie an. Heute arbeiten allein in Straßburg 180 Mitarbeiter. Das gemeinnützige Unternehmen hat mittlerweile 50 Ableger in ganz Frankreich. Da zur Reparatur oft Ersatzteile gebraucht werden, begann Envie in den neunziger Jahren damit, die Altgeräte systematisch einzusammeln. Was nicht mehr repariert werden konnte, zerlegten sie in seine Bestandteile und verkauften beispielsweise die Metalle. Im Jahr 2004 beflügelte eine Direktive der Europäischen Union diese Aktivitäten. Erstmals verpflichtete sie die Hersteller von Elektrogeräten dazu, sich auch um die Altgeräte zu kümmern, die bis dahin einfach auf der Deponie landeten. Außerdem gab das Gesetz vor, wie der Elektroschrott behandelt werden muss.

„Die Direktive der EU hat genau das gefordert, was wir schon von Anfang an tun. Die zuständigen Behörden in Frankreich sind dann auf uns zugekommen, um unsere Erfahrungen und unser Know-How zu nutzen. Doch obwohl die Wiederaufbereitung von Geräten empfohlen wird, sind wir bis heute einer von wenigen Akteuren, die Altgeräte auch wieder nutzbar machen.“

 

Mehrere Lkw-Ladungen voller Altgeräte werden täglich allein in der Straßburger Filiale sortiert. Sie kommen von Sammelstellen, Wertstoffhöfen und Herstellern oder direkt von Kunden. (Stefanie Otto)

Am anderen Ende der Werkshalle wird der Elektroschrott angeliefert. Mehrere Lkw-Ladungen täglich sind es hier am Standort Straßburg. Das Gelände liegt seit 30 Jahren in einem Wohngebiet des Stadtteils Koenigshoffen am westlichen Rand der Stadt. Ein Dutzend Männer ist gerade damit beschäftigt Kühlschränke auszuladen. Mit Sackkarren bringen sie die teils mannshohen Türme auf eine im Boden eingelassene Waage. Nach der Registrierung werden die Geräte nach ihrem Zustand sortiert. Dann wandern sie entweder in die Werkstatt zur Wiederaufbereitung, ins Lager für Ersatzteile oder endgültig auf den Schrott.

„Das Beste für die Umwelt ist, gar nicht zu konsumieren“

Die Philosophie, die Envie dabei verfolgt, macht Geschäftsführer Grenot an einem einfachen Beispiel klar.

„Im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist es das Beste für die Umwelt, gar nicht zu konsumieren. Wenn ich in mein Büro keine Tür einbaue, verbrauche ich keine Tür und produziere also auch keine Abfälle, wenn die Tür irgendwann einmal abgenutzt oder defekt ist. Falls ich die alte Tür dann jedoch repariere oder aufarbeite, kann sie wieder als Tür genutzt werden. Wenn ich die Tür auf zwei Böcke stelle und einen Tisch daraus mache, ist das eine andere Art der Wiederverwendung. Wenn ich sie zerkleinere und Holzspäne daraus mache, dann ist das Recycling. Um Ressourcen zu schonen, ziehen wir bei Envie all diese Möglichkeiten in Betracht. Das Recycling ist nur der letzte Ausweg.“ 

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